Neue Aus- und Durchblicke
Erscheinungsdatum: 30.09.2025
Thomas Geuder, Der Raumjournalist
Die weithin sichtbare Mitte der Stadt Freising, etwa 30 Kilometer nördlich von München gelegen, wird von dem rund 30 Meter hohen Domberg markiert. Hier oben thronen der Freisinger Dom St. Maria und St. Korbinian mit seinen beiden Türmen, der in seiner heutigen Form um 1200 erbaut wurde, sowie die ehemalige Fürstbischöfliche Residenz. An der prominenten Westseite des Dombergs steht ein 1870 errichtetes Gebäude, in dem sich seit 1974 das Diözesanmuseum sein Zuhause hat. 2013 musste das Haus aus Brandschutzgründen geschlossen werden. Ein Architekturwettbewerb für die Sanierung folgte, den Brückner & Brückner Architekten aus Tirschenreuth für sich entscheiden konnten. Ihr Entwurf öffnet den Innenraum großzügig und lässt das denkmalgeschützte Bauwerk in neuem Glanz erstrahlen.

Das gut 150 Jahre alte Gebäude des Diözesanmuseums wurde von dem Architekten Matthias Berger im klassizistischen Stil errichtet und nun von Brückner & Brückner Architekten saniert.
Ihrem Entwurf haben Brückner & Brückner den Titel „Geöffnete Wände“ gegeben, was von ihnen durchaus ganzheitlich gemeint ist. Der Kern ihrer Idee ist das Öffnen, also zunächst das Herstellen vielfältiger Ausblicke, Einblicke und Durchblicke durch gezielte bauliche Maßnahmen, um den Bezug zur umgebenden Landschaft sowie zur Stadtsilhouette zu intensivieren und zu schärfen. Die neu geschaffene Transparenz soll jedoch auch bewusst Neugierde erzeugen und Raum für Begegnungen schaffen, um einen Dialog zwischen den Menschen, der Kunst und der Umgebung zu ermöglichen. Dadurch erhalten auch die im Museum gezeigten religionsgeschichtlichen Objekte eine angemessene Würdigung. Das Haus sollte, so die Idee von Brückner & Brückner, durch die Umbau- und Sanierungsmaßnahmen von all dem bauzeitlichen Ballast befreit werden und wieder atmen können, wodurch eine präzise Struktur und eine neue, klare Identität entstehen.

Vor dem Umbau waren die Fenster mit Brüstungen versehen, die der Entwurfsidee folgend jetzt entfernt wurden, sodass mehr Tageslicht hineingelangt.
Architektur als erlebbare Geschichte
Als Vorbild bei der Planung dienten die jahrhundertealte Historie, das Handwerk sowie die helle Farbigkeit des Dombergs. Die nun eingesetzten, teils aufgearbeiteten historischen Materialien sollten zeitlos sein. Holz, Stein, Eisen, Glas und Putz spiegeln das Licht wider und erzählen von der Geschichte des Ortes. Die Architektur wird dadurch einem hautnah erlebbaren Teil der Vergangenheit, aber auch der Zukunft. Die baulichen Elemente und die transformierten Fassaden sind so aufgearbeitet, dass sie in ihrer Gesamtheit auf den Menschen zurückwirken, ohne aufdringlich zu sein. „So, wie es ist, war es noch nie“, beschreiben Brückner & Brückner ihr Werk. „Aber es fühlt sich an, als ob es schon immer so war.“ Es erfordert viel Einfühlungsvermögen und gleichzeitig persönliches Zurücknehmen, eine historische Architektur so weiterzubauen, dass die Erneuerung genau den schmalen Grad zwischen dem Aufgreifen der Historie und dem Weisen in die Zukunft trifft.

Passend zum Thema der Kunstwerke, ihrer Farbigkeit und dem historischen Bezug sind die Räume in monochrome Farbwelten getunkt.
Die sehenswerte Präsentation der neuen Schausammlung mit christlicher Kunst aus zwei Jahrtausenden hat das Büro iam – interior architects munich in Zusammenarbeit mit Christian Schmid (Der goldene Schmid) als künstlerischem Leiter entwickelt. Ihr Entwurf nimmt die markanten Bögen der Architektur auf und integriert sie in die Gestaltung der hellen Innenräume und Objektpräsentationen. Das bedeutendste Stück der Ausstellung, das Lukas-Bild, hat seinen Platz in einem tiefdunkelblauen Raum erhalten. Genau in der Achse, in der ehemaligen Hauskapelle und gut sichtbar vom zentralen Lichthof aus, befindet sich das beeindruckende Werk „A Chapel for Luke and his scribe Lucius the Cyrene“ des US-amerikanischen Lichtkünstlers James Turrell. Im Lichthof steht außerdem die überlebensgroße Bronzeskulptur Arcangelo der belgischen Künstlerin Berlinde De Bruyckere. Somit hat auch zeitgenössische Kunst ihren Platz im Diözesanmuseum gefunden.


Links: Das Herz des Gebäudes ist der Lichthof, der sich über die gesamte Gebäudehöhe erstreckt und von oben großzügig natürlich beleuchtet ist.
Rechts: Das zentrale Thema der Innenraumgestaltung sind die markanten Bögen des Gebäudes, die sich immer wieder in den Einbauten für die Ausstellung wiederfinden.
Ohne fossile Brennstoffe
Um den Lichthof, die Ausstellungsräume und die Arkadengänge räumlich klar wirken zu lassen, haben Brückner & Brückner sie von klima- und sicherheitstechnischen Einbauten und Leitungsverzügen befreit. Die haustechnischen Versorgungsstränge sind daher in nicht sichtbaren Kanälen und Schächten untergebracht. Die Lüftungstechnik etwa ist unter geometrisch anspruchsvollen Bedingungen in den historischen Dachstuhl integriert. Die Energieerzeugung für Wärme und Kälte kommt gänzlich ohne fossile Brennstoffe aus. Wasser/Wasser-Wärmpumpen bzw. Kältemaschinen sind mit Grundwasserbohrungen in der rund 250 m entfernten Moosachaue am Fuße des Dombergs verbunden. Allen über diese regenerative Wärmeerzeugung können so jährlich rund 220 Tonnen CO₂ eingespart werden. Im Sommer ist zudem die Klimatisierung über die „freie Kühlung“ möglich. Das Projekt wurde mit dem Bayerischen Architekturpreis und dem Staatspreis für Architektur 2024 ausgezeichnet.

Die umfangreiche Anlagentechnik musste teils unter geometrisch anspruchsvollen Bedingungen integriert werden, etwa die Lüftung im historischen Dachstuhl.