Kreislaufwirtschaft im Bauwesen - Vom Abfallweltmeister zum Innovationsführer
Erscheinungsdatum: 26.08.2025
Julia Greven
Schätzungen zufolge verursacht die Baubranche rund vierzig Prozent der globalen CO₂-Emissionen und produziert etwa sechzig Prozent des weltweiten Abfalls.
Derzeit fallen somit weltweit über 2 Milliarden Tonnen Bauabfall pro Jahr an – das entspricht etwa einem 10 Meter hohen Müllberg auf der Fläche von Berlin. Und bis 2050 könnte diese Menge auf über 3,5 Milliarden Tonnen jährlich anwachsen, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden.
„Die Linearwirtschaft befeuert das Problem seit Jahrzehnten: take-make-waste in schnelleren Abständen – zu Ende gedacht ersticken wir in unseren Abfällen (dazu gehört auch CO2) bevor uns die Rohstoffe ausgehen“, so auch Annette Hillebrandt, Architektin und Professorin für Baukonstruktion, Entwerfen und Materialkunde an der Bergischen Universität Wuppertal, welche das Umweltbundesamt zum nachhaltigen Bauen berät.
Die Herstellung von Zement und Beton verlangt immense Mengen an Sand, Wasser und Energie. Die logistischen Herausforderungen verschärfen das Problem: Bauteile und Materialien, sowie Produkte werden aus aller Welt eingeflogen, verschifft und verladen – das bedeutet lange Transportwege, hohe Emissionen und entsprechender Kostenaufwand.

Von der Wegwerfarchitektur zur Kreislaufwirtschaft durch nachhaltigen Materialeinsatz und Urban Mining
Leider wird vielerorts, auch bei uns in Deutschland nach wie verschwenderische „Wegwerf“-Architektur quasi zur Einmalnutzung entwickelt. Statt dass am Ende nur teuer zu entsorgender Schutt und Abfall bleibt, könnten Gebäude als „urbane Minen“ verwertet werden. Materialien, wie beispielsweise Metalle, leicht rückbaubare Holzelementwände, großformatige Fassadentafeln aus Naturstein und Glas oder auch naturbelassene Eichenholzdielen, wären wieder verkäuflich.
Umdenken lohnt also in jeglicher Hinsicht, hin zu Sanierung statt Neubau, verpflichtenden zirkulären Baukonzepten, sowie dem verstärkten Einsatz umweltschonender, wiederverwendeter und recycelter Bauprodukte, reversibler Bauweise und Ressourceneffizienz.
Best Practice und Case Studies
Aus den letzten Jahren, gibt es bereits einige gelungene Beispiele für zirkuläre und nachhaltige Architektur. Vom dänischen „Circle House“ Projekt, das zu 90 % aus wiederverwendbaren Materialien besteht und nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft konzipiert ist.

Dänemarks erstes zirkuläres Sozialwohnungsprojekt
Über die Triodos Bank, in Driebergen-Rijsenburg, Niederlande, einem vollständig demontierbaren Gebäude, mit modularer Bauweise, welches dank seiner begrünten Dächer Insekten Lebensraum gibt und Regenwasser zwischenspeichert.
Sämtliche eingesetzte Materialien sind hier zudem detailliert in einem digitalen Materialpass erfasst.

Bis zu The Cradle, in Düsseldorf, dem ersten Holzhybrid-Bürogebäude, welches in Holzhybrid-Bauweise geplant wurde. Alle hier eingesetzten Baustoffe wurden hinsichtlich ihrer Materialgesundheit, Sortenreinheit und Trennbarkeit geprüft und ausgewählt, sodass sie nach Gebrauch wiederverwendet oder in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden können.

Die Cradle GmbH & Co KG
Wie EU-Taxonomie und Gebäudepass den Fortschritt beschleunigen
Das Verfahren zur Ordnung und Klassifizierung, die EU-Taxonomie, bildet eine wichtige Grundlage für den von der EU geplanten Gebäuderessourcenpass, welcher die vollständige Dokumentation der Bestandteile eines Gebäudes ermöglichen soll, um genau eine solche effiziente Wiederverwendung von Materialien und Bauteilen bei einem späteren Rückbau zu gewährleisten.
Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat bereits einen Vorschlag für einen solchen Pass entwickelt.
Noch ist der Gebäudepass nicht flächendeckend verpflichtend aber es gibt bereits Kooperationsvereinbarungen zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen.
Und die neue Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag 2025 deutlich gemacht, dass der Gebäudesektor eine Schlüsselrolle zur Erreichung der Klimaziele spielt.
Die Bauwirtschaft birgt enormes Potenzial - Europas Chance auf Innovationsführerschaft
Der Europäische Grüne Deal ist eine umfassende Strategie, die darauf abzielt, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Europa könnte eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung nachhaltiger Wirtschaftsweisen einnehmen, indem es auf grüne Technologien setzt, die Ressourceneffizienz steigert und eine innovative Kreislaufwirtschaft fördert.
Dadurch, dass Material und Rohstoff-/Immobilienwert digital miteinander verknüpft werden können, ergeben sich vollkommen neue Möglichkeiten der Wirtschaftlichkeit und Monetarisierung. Es gibt immer mehr digitale Plattformen, Zertifizierer und Dienstleister, denen dieser Sektor eine Grundlage für Ihre erfolgsversprechenden und innovativen Geschäftsmodelle bietet (Beispiele siehe unten). Der Wandel zu Zirkulärem Bauen ist somit nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll.
Es liegt an uns, von einem der größten Ressourcenverbraucher zum Weltmeister im nachhaltigen Bauen zu werden!
baubook.info:
https://www.baubook.info/de
Plattform, die Informationen zu Baustoffen und Gebäuden erfasst und verwaltet, um die Wiederverwendung zu unterstützen.
BauKarussell:
https://www.baukarussell.at/
Fachberater und Anbieter für Social Urban Mining und gebrauchte Bauteile
Concular:
https://concular.de/
Bietet eine digitale Plattform für zirkuläres Bauen und Materialmanagement, mit Fokus auf die Wiederverwendung von Materialien aus Bestandsgebäuden.
Genbyk:
https://genbyg.dk/
Dänemarks größter Baumarkt für gebrauchte Baumaterialien. Für Bau, Wohnen und Garten aus zweiter Hand
Materialnomaden:
https://www.materialnomaden.at/
Dienstleistungen zur Bewertung von Material und Gebäudekomponenten und erstellen Machbarkeitsstudien & Bauteilkataloge, um das ReUse Potential zu evaluieren.
Restado:
https://restado.de/
Online-Marktplatz, der sich auf die Wiederverwendung von Baustoffen spezialisiert hat und sowohl gebrauchte als auch neue Materialien anbietet.
RotorDC:
https://rotordc.com/
Genossenschaft, welche die Wiederverwendung von Baumaterialien organisiert. Demontage, Verarbeitung und Handel mit wiederverwertbaren Bauteilen
Use again:
Schweizer Vermittlungsplattform von Baumaterialien und Know-how zur Abfallreduzierung & Wiederverwendung