A CONSCIOUS TOMORROW: Facelift ohne Zuckerguss
Erscheinungsdatum: 03.07.2025
Barbara Jahn
Im Café Prückel werden selbstverständlich Apfelstrudel und Melange serviert – wie es sich eben für ein echtes Wiener Kaffeehaus gehört. Kredenzt wird hier allerdings auch eine über 70 Jahre alte Designgeschichte, an die nun ein neues Kapitel anschließt.

Ein Architekt, zwei Karrieren: Schon gemeinsam mit seinem früheren Partner Christian Knechtl, mit dem Gregor Eichinger das Wiener Architekturbüro gründete, erkannte er, dass Architekten auch für das Design zuständig sein sollten. Unter diesem Aspekt stammen unter anderem unzählige Wiener Gastronomieprojekte aus seiner Feder, eine Leidenschaft, die er auch nach der Gründung von Eichinger Offices weiterverfolgte. Mit Cafés und Bars wie das Café Stein, das Restaurant Wrenkh, die Bar Ron con Soda oder das Café-Restaurant im Palmenhaus prägte er gemeinsam mit Knechtl die Wiener Lokalszene. Später folgten dann das Stadtgasthaus Lugeck oder die Bar Ludwig. Mit der Restaurierung der legendären Eden-Bar 2023 schlug Eichinger schließlich wieder ein neues Kapitel auf, das sich schließlich jüngst in einem äußerst bemerkenswerten „Facelift“ eines weiteren Wiener Originals, dem Café Prückel, fortschrieb.

Das 1903 vom ehemaligen Radrenneuropameister Maxime Lurion eröffnete Café, das auch zunächst den Namen seines Besitzers trug, erlebte mit vielen Besitzerwechseln eine turbulente Zeit. Doch schon 1906 übernahm Wenzel Prückel das Lokal an der Wiener Ringstraße, das sich damals wiederum noch Café Miramonte nannte. Neben den klassischen Kaffeehausräumlichkeiten verfügte das Prückel immer schon über Clubzimmer, Tanzsaal und Kegelbahn, seit 1931 bis heute existieren die Theaterräumlichkeiten für Kleinkunst im Untergeschoss. Nach vielen opulenten Interieurs wurde schließlich Oswald Haerdtl 1955 mit der Umgestaltung des Cafés beauftragt, der die Fensteröffnungen vergrößerte und sämtliche Pfeiler entfernen ließ – ein denkmalgeschütztes Erscheinungsbild, dem nun wieder zu neuem Glanz verholfen wurde.

„Es sind die Details, die den Raum strahlen lassen.“ © Gregor Eichinger


Dass das Prückel als relevantes Wiener Kulturgut unantastbar ist, war auch Gregor Eichinger und seinem Team vollkommen klar. Zu sehr prägen die unverwechselbare Gemütlichkeit und der moderne Charme, der bereits auf die 1950er Jahre zurückgeht, diesen Ort. Doch das in die Jahre gekommenen Räumlichkeiten brauchten dringend eine Überarbeitung in Form einer sanften Erneuerung, die im Zuge des neuerlichen Besitzerwechsels angestrebt wurde. Da es eigentlich so bleiben sollte, wie es ist, nur schöner, war viel Fingerspitzengefühl gefragt – etwas, das Gregor Eichinger schon bei vielen Projekten unter Beweis gestellt hat, da er stets mit viel atmosphärischem Einfühlungsvermögen und sicherem Gespür für zeitlose Ästhetik herangeht, sich jedoch immer selbst treu bleibt.

Spannend ist, dass sogar den echten Kennern des Kaffeehauses nicht wirklich auffällt, dass sich etwas verändert hat. Vielleicht auf den zweiten Blick. Und das ist auch gut so. Fast könnte man sagen: Ein Volltreffer! Denn die Wiener*innen halten gerne an dem fest, was ihnen lieb ist und sich möglichst niemals verändern sollte. Eichinger Offices ist dieser Spagat gelungen. Unter minutiöser Beachtung der denkmalschützerischen Auflagen und mit dem Ziel, dass das Interieur nach der Restaurierung immer noch in der Gunst der Stammklientel steht, wurden die Räumlichkeiten heller, aufgeräumter und gleichzeitig lebendiger. Die Fenster wurden saniert, Wände frisch gestrichen und das Mobiliar mit neuem Stoff bezogen, der exakt dem Original von 1955 entspricht – eine Spezialanfertigung, die eigens den Umbau einer Maschine erforderte.

Der Eingangsbereich, der Bereich für die Zeitungen, der für jedes richtige Kaffeehaus ein unentbehrlicher ist, die altehrwürdige Kuchenvitrine – und Tortenvitrine oder die wiederhergestellte Raumsymmetrie durch die gläserne Trennwand – sie alle sind entscheidende Elemente, die - behutsam überarbeitet und frisch renoviert – dazu beitragen, dass die charakteristische Atmosphäre nicht verloren geht. Die echten Neuheiten, nämlich die Annehmlichkeiten des 21. Jahrhunderts, treten ganz subtil in Erscheinung oder sind sogar ganz versteckt, aber es gibt sie, etwa die Steckdosen für Computer an den Sitzplätzen, ein verbessertes Raumklima sowie Klarheit bei den Accessoires. Mit diesem Projekt hat Eichinger Offices für ein Stück Architekturgeschichte bravourös die Brücke in die Gegenwart geschlagen, wobei wohl am bemerkenswertesten ist, dass hier – auch wenn alles „neu“ ist – kein nostalgischer Zuckergussmantel ausgebreitet wurde, sondern der unnachahmliche, authentische Charme des „Benutzt Seins“ erhalten geblieben ist.
