25AWX_Banner_Inspiration_V7.png
SERIES

A CONSCIOUS TOMORROW: Die bedeutende Kraft der Fragilität

Erscheinungsdatum: 26.08.2025

Dieser Artikel ist eine übersetzte Bearbeitung des Textes des Originalautors Nora Santonastaso

Eine bewusste Zukunft verwirklicht in Architekturprojekten die Möglichkeit, selbst komplexeste Strukturen auf ethische und nachhaltige Weise wiederzugewinnen. Jedoch waren diese einst Symbole der Ausgrenzung und Einsamkeit.

santa-maria-pietà_01.jpg
©

Museo Laboratorio della Mente

Der ehemalige Komplex der psychiatrischen Klinik Santa Maria della Pietà wird derzeit umfassend restauriert. Ziel ist es, die Räumlichkeiten durch die Einführung von Gemeinschaftsdienstleistungen wieder mit der Nachbarschaft zu verbinden.

Willkommen zu einer neuen Ausgabe der Themenreihe „ARCHITECT@WORK A Conscious Tomorrow”, die sich damit befasst, wie Architektur als Instrument zur Neuinterpretation und Aufwertung alter, geschichtsträchtiger Orte dienen kann, indem sie einen intensiven Dialog zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herstellt. Das Thema der heutigen Erzählung betont noch stärker die Bedeutung des Adjektivs „bewusst“: Wir sprechen von der Sanierung ehemaliger psychiatrischer Einrichtungen – oft regelrechte „Städte in der Stadt“ – im Hinblick auf eine bewusste und gemeinschaftsorientierte Stadtumgestaltung.

Die ehemaligen psychiatrischen Kliniken sind bis heute ein architektonisches Zeugnis eines der umstrittensten und dunkelsten Kapitel der italienischen Stadt- und Gesundheitsgeschichte. Ursprünglich als Orte konzipiert, an denen die Behandlung die Konnotation von Einschränkung, Segregation und Kontrolle hatte, waren diese architektonischen Komplexe jahrzehntelang Enklaven der Marginalität. Und hier definiert das Wort „Rand” zwei Merkmale: die Lage am Rande der Stadt, aber auch und vor allem am Rande des kollektiven Bewusstseins.

Santa Maria della Pietà in Rom ist eines der symbolträchtigsten Beispiele dieser Geschichte. Die Ende des 19. Jahrhunderts nach einem Entwurf von Edgardo Negri und Silvio Chiera als Provinz-Irrenanstalt erbaute Anlage entwickelt sich planimetrisch nach einem Schema aus Pavillons, die in einen über 40 Hektar großen Park eingebettet sind. Dabei folgte man den Prinzipien der damaligen Zeit, die Therapie als Isolation und physische sowie funktionale Trennung interpretierten und das Leben der Tausenden von Patienten, die dort untergebracht waren, unsichtbar machten.

santa-maria-pietà_03.jpg
©

Museo Laboratorio della Mente

Das ursprüngliche Projekt für Santa Maria della Pietà sah die Unterbringung in Pavillons auf einer über 40 Hektar großen Grünfläche vor.

Mehr als vierzig Jahre nach Inkrafttreten des Basaglia-Gesetzes 180 von 1978 rückt die Zukunft dieser Räumlichkeiten in den Mittelpunkt der Debatte über die Wiederverwendung stillgelegter städtischer Gebäude. Heute steht Santa Maria della Pietà im Mittelpunkt eines komplexen Sanierungsprogramms, das von der Region und der Gemeinde gefördert wird. Das Ziel ist eine vollständige multifunktionale Umgestaltung der Pavillons und der dazugehörigen, weitläufigen Außenbereiche. Aufgrund der historischen und gleichermaßen monumentalen Schutzauflagen ist dies jedoch eine planerische Herausforderung, da sich diese mit den Gesamtanforderungen der neuen Nutzungszwecke und dem Denkmalschutz vereinbaren lassen müssen.

Der sich noch in der Entwicklung befindliche Masterplan sieht die Koexistenz von sozialen und gesundheitlichen Funktionen, temporären Studentenwohnungen, kulturellen Räumen und Nahversorgungsdienstleistungen für das Viertel vor. Das ausdrückliche Ziel des Projekts ist es, Barrieren zu überwinden, das heißt, die Logik des geschlossenen Kreises zu durchbrechen, um dieses wertvolle und dicht besiedelte Stadtgebiet den Menschen in seiner Umgebung zurückzugeben und Prozesse der sozialen Erneuerung und der kollektiven Wiederaneignung des öffentlichen Gutes in Gang zu setzen.

santa-maria-pietà_02.jpg
©

Roma Verso

greybackground.png

Der Park Santa Maria della Pietà ist von morgens bis abends frei zugänglich. Bei einem Spaziergang durch die von Bäumen gesäumten, grünen Alleen stößt man auf zahlreiche Wandmalereien, darunter die von Gomez de Teran mit dem Titel „Le cose che non si vedono“ (Die Dinge, die man nicht sieht).

Heute beherbergt der Komplex Santa Maria della Pietà in einigen Pavillons Gesundheitseinrichtungen und Vereinsbüros. Im Pavillon 6 befindet sich das „Museo della Mente“. Der Park ist hingegen von morgens bis abends frei zugänglich und beim Spaziergang darin stößt man auf zahlreiche Wandmalereien, die die Fassaden der alten Pavillons auf besonders eindrucks- und bedeutungsvolle Weise schmücken.

Ähnliche Fälle auf europäischer Ebene bestätigen, dass die Sanierung ehemaliger psychiatrischer Kliniken zwar ein komplexes Unterfangen ist, aber auch besonders förderlich für das kulturelle Wachstum und das ethische wie auch soziale Bewusstsein ist. Ein etabliertes Beispiel dafür ist das „Paolo Pini“ in Mailand. Seit 1996 erlebt der Komplex dank der „Cooperativa Olinda“ eine neue Bestimmung als kulturelles und soziales Zentrum mit Theaterräumen, städtischen Gemüsegärten, einer Herberge und einem inklusiven Gastronomiebetrieb. Dabei ist die Pavillonstruktur inmitten der Grünanlagen erhalten geblieben.

graylingwell-park_01.jpg
©

JTP

Das Londoner Architekturbüro JTP hat das Projekt zur Sanierung und Neugestaltung des Graylingwell Parks, eines ehemaligen Krankenhausgeländes, umgesetzt. Der Park beherbergt 472 unter Landschaftsschutz stehende Bäume sowie einige historische Bauwerke.

In Europa sind ähnliche Maßnahmen bereits im Gange oder abgeschlossen: vom Graylingwell Park in Chichester (Großbritannien) bis zum Jydske Asyl in Aarhus (Dänemark). Diese ehemaligen psychiatrischen Kliniken wurden zu Wohn- und Mehrzweckvierteln sowie öffentlichen Räumen umgebaut.

Diese Beispiele zeigen, dass die Sanierung solcher Gebäudekomplexe nicht nur eine einfache Maßnahme zur Erhaltung von Gebäuden ist, sondern einen radikalen Denkprozess in Bezug auf die Beziehung zwischen Architektur, Landschaft und Gemeinschaft auslöst und dabei hilft, alte Schwachstellen zu beheben.

SCHLIESSEN

NACHRICHT SENDEN
0/500 Zeichen